Das deutsche Wesen

 denkt tief, kommt trüb wieder hoch und hat wichtige Mitteilungen zu machen: Biologie ist keine zweite Physik. Wir gehen in die Schule, um  uns über die Richtung zu  wundern: Masse krümmt den Raum und Spannungsschmerz den Menschen. Materie strebt zum Zerfall, der Knochen wächst wieder zusammen. Der Stein bröselt, Leben erhält sich aus Leben. Licht ist pünktlich, Leben braucht seine seine Zeit. 

Wenn aber erst das Zusammentreffen von zwei Gründen sich zu dem besonders morgens einsetzenden stechenden Schmerz auswirkt, dann gibt es schon 300 verschiedene Paarungen, die man untersuchen müsste. Bei drei Gründen sind es schon über 3000 anzunehmende Verbindungen, die miteinander korrelieren. Je mehr Eigenschaften möglich sind, desto mehr nimmt die Menge explosionsartig zu.
Für die Wahrscheinlichkeitsrechnung haben wir jetzt Maschinen, die schlauer sind als wir. Allerdings sind statistische Entscheidungen, die auf Eigenschaften für bestimmte Gruppen, hier Rücken-Patienten, basieren, auf den Einzelfall nicht nachprüfbar. Es kann nur für alle gemeinsam gemessen werden, ob und wie oft ein schädliches oder schmerzhaftes Ereignis eintritt. Bei klar festgelegten Fakten erwarten wir, dass alle Beteiligten und Unbeteiligten zum selben Ergebnis der Ursachen kommen. Bei Werturteilen erwarten wir das gerade nicht. Anerkannt ist durch rechtlichen Beschluß, dass es sich bei ärztlichen Diagnosen  grundsätzlich um Werturteile  handelt. Zwar werden in ärztlichen Befunden regelmäßig auch Tatsachen behauptet, etwa Beobachtungen bestimmter, der Diagnose zugrundeliegender Symptome. Der Schluss, den ein Arzt mit seiner Diagnose aus den vorliegenden Fakten zieht, ist jedoch eine aus seiner fachlichen Erfahrung gewonnene Bewertung und nicht die Behauptung einer Tatsache. Natürlich bleibt auch der Erfahrenste nicht mit seiner Diagnose allein auf dem Thron, weil sie im Einzelfall nicht durch künstiche Intelligenz auf Korrektheit überprüft werden kann. Solche Willkür wird durch den notwendigen Konsens von Experten verhindert, die sich mit dem gleichen Gebiet befassen, mindestens den gleichen Ausbildungsstand vorweisen und untereinander nur begrenzt uneinig sein dürfen.
 

.