Schäden, die man sieht oder Störungen, die man spürt ?

Wenn es Neues gibt, muss man Anpassungen leisten. Manchmal passt es eben nicht so ganz. Oft entstehen schmerzhafte Fehlfunktionen als Ausdruck vergeblicher Bemühungen. Wirbelblockaden, Gelenksteife, Muskelstarre, Spannungsketten und entzündliche Gewebebarrieren, die sich in Ruhe einfach nicht gut anfühlen, sind unzertrennlich mit reizenden Lebensgeschichten verbunden. Davon gibt es so viele, wie es Augenblicke gibt. 

Schmerz am Muskelskelett  ist schwer zu verstehen, denn wir sind Ursachen gewohnt, möchten Übungen haben und nicht Teil des Problems sein. Wenn kein frischer Schaden erkennbar ist, reichen einfache Ursache-Wirkung-Überlegungen nicht aus, um das typische, dumpf bohrende oder hell stechende Gefühl im Arm, Bein oder Kreuz sinnvoll zu erklären.
Auch örtliche Methoden helfen nur kurzfristig, wenn äußerlich nichts verletzt (Hautschmerz ), der Nerv an sich nicht bedrückt (Nervenschmerz ) und das Gelenk noch entzündungsfrei (Organschmerz ) ist. Das nervige Ziehen, Brennen oder Stechen im Muskelskelett ( Spannungsschmerz ) ist unspezifisch, d.h. das unangenehme Gefühl entsteht weder da, wo es weh tut, noch plötzlich.
Diese wiederholt aus dem Nichts auftauchende Nervensäge ist ein großer Lügner, zieht gern um und tut nur so, als ob ein Nerv, ein Gelenk oder ein Organ geschädigt sei.
Sein Charakter ist weder räumlich noch zeitlich zu fassen. Der Spannungsstau zeigt sein Schmerzgesicht morgens anders als abends, im Sitzen anders als im Stehen und im Training anders als in Trance. Man kann nicht wissen, wo es zwischendurch war. Die schlechte örtliche Bestimmung, die starke Tendenz zur Übertragung und das reissende, krampfende oder drückende Temperament ist in Ruhe oft schwer zu ertragen. Gefangen in unserer zentralen Fähigkeit zu Erregung, Hemmung und Erstarrung führt das Muskelskelett gern ein sinnloses Eigenleben.

 

Übersät von feinen Nervenenden, kommt der Mensch als aufrecht gehendes Gefühlsorgan daher. Sein Schmerz, egal ob von verletzter Haut, aus lädierten Nerven, defekten Organen oder gereizten Hüllen und sehnigen Übergängen des Muskelskeletts ausgehend, ist ein unangenehmes Gefühl, welches ausnahmslos durch Reizübertragungen in den Verästelungen des Gehirns entsteht.
Was wir von dem Reizverkehr empfinden, ist die unmittelbare biologische Folge der Stimulation unserer Schmerzrezeptoren im Gewebe und den Impulsen auf dem Weg über das Rückenmark in die Gehirnareale und zurück.
Was wir darüber hinaus wahrnehmen  ist wesentlich umfassender, nämlich ein verstörtes Körperbild, welches all diese unscharfen Signale mit dem Reichtum vergangener Erfahrung kombiniert. Unsere Wahrnehmung von Schmerz ist also Phantasie, die sich allerdings mit der Wirklichkeit im Rücken weitgehend deckt.
 Sobald es chronisch wird,  ist die Frage was man selbst tun oder geschehen lassen muss, mit der Antwort verknüpft, auf welchen Signalwegen Schmerz  entsteht, wozu man sich selbst organisiert und weswegen meistens Fehlinformationen zu behandeln sind.
Organismen wie wir können nur dann gesund funktionieren, wenn sie ständig Informationen über den Zustand der Aussenwelt sammeln, mit den inneren Zuständen abgleichen und umgekehrt. Wir Kulturwesen können zudem auf die Umwelt einwirken und sie künstlich erstellen. Sobald sich drinnen oder draussen etwas tut, brauchen wir Mechanismen, welche die Signale entdecken und darauf flexibel und angemessen reflektieren. Tun sie das nicht, wird es knapp mit der Zukunft, meinen theoretisch denkende Biologen.
Besser mehrmals zuviel als einmal zuwenig allergisch oder schreckhaft reagiert, raten praktisch erfahrene Ärzte. Zum Schutz vor bedrohlichen Schäden sei ein wenig Übertreibung zweckmässig. Unsere Spezies ist nicht nur fähig, aus Erfahrung zu lernen, sondern sie kann sich auch Situationen vorstellen, die sie noch nie erlebt haben und sich darauf vorbereiten.

Das Bild ist bunt und man darf geteilter Meinung darüber sein: gefühlsbegabt, aufrecht und übersät von feinsten Nerven kommt der Mensch in seiner Geschichte daher. Zwar erwachsen geworden mit Energie  gleich Stoff  mal Information, aber zeitweise tiefenverspannt, sauer und entzündlich bis zum Kontrollverlust gereizt, " dem Ding da ", der entgleisten Maschine mit seinen Knochen und Gelenken, eine sinnvolle Bedeutung zu geben.
" Nimm' mich mit, ...ich geb' Dir doch die Form! " scheint das Skelett zu bitten. Nicht ganz, sagen Leute von heute, das Knochengerüst kommt und geht als stabiler Teil der Struktur  zuletzt. Die Form an sich hat sich längst von den materiellen Eigenschaften emanizipiert: Störungen der Funktion  können ohne erkennbare Veränderung der Struktur  auftreten. Form folgt ebenso der Funktion.
Allerdings nicht künstlich, gewollt und planvoll geschaffen wie Architektur und in Gestalt von intelligentem Design, dessen Quelle außerhalb, nämlich im Kopf des Konstrukteurs liegt. Ein Kunstwerk ist einfacher zu verstehen, als das was in der Natur, die uns angeblich so nahe geht, von selbst passiert.
Es gibt nichts mechanisch Starres im Leben, das nach festen Regeln funktioniert. Es gibt auch keine feste Grenzlinie, die leblose Gegenstände von lebendigen Organismen  trennt. Innerhalb lebendiger Organismen geht es nicht so direkt, zwangsläufig, messgetreu und mathematisch logisch zu. Unsere Wirkungen sind indirekt und wirklich mit Gefühlen verstrickt. Zwischen Menschen und ihren Organen, Geweben, Zellen und deren Molekülen gärt und kriselt es selbsttätig, verschlüsselt  und ziemlich nachhaltig.  Stets bereit, um wieder " in Form" zu kommen, zum bestmöglichen Überleben und über lange Zeiträume hinweg, komme was da wolle. Unterwegs bleibt niemand der, der er ist. Die natürliche Umwelt ist offen, alles ist möglich, vieles wahrscheinlich, nur wenig bleibt länger bestehen. Mit Umwelt ist nicht nur das angeblich tote Zeugs gemeint, das vor Ort in Massen herumliegt, sondern auch der Wahrnehmungsbereich zwischen der Horde im Klima da draussen und den empfindlichen Geweben hier drinnen, der uns direkt mit den mannigfaligen Vorgängen und Beweggründen um uns herum vernetzt. In diesem weiten Feld ist Form  weniger statisch zu verstehen, sondern eher im Sinn eines symbiotischen Prinzips, das ständig zwischen Struktur und Funktion und ihren gegenläufigen Tendenzen vermittelt.

So organisiert sich alles, was im Lebendigen passiert, durch Informationen von Sinnesreizen und seinen Deutungen. Ständig nehmen wir etwas " in Formen " auf, und geben es entwertet wieder ab. Das passiert uns mit physikalischen Kräften, im biologischen Wandel, im erlebten Gefühl und in sinnvoller Bedeutung. Ob einsam in alle Richtungen irrend oder in der Menge gerichtet und gemeinsam vernetzt, wird das was wir wahrnehmen, tun oder unterlassen auf Zellformationen bestimmt, welche durch Umgebungsreize ausgebildet wurden. In Form von Genen bestimmen Informationen der Zelle ihre mögliche Funktion, während epigenetische Faktoren ihre konkrete Ausprägung beeinflussen. Ein Gen ist also nicht von vorherein, ein Gen wird gebildet.
Allerdings kann auch der gebildetste Mensch die einzelnen Signale nicht sehen, hören, schmecken, riechen oder ertasten. Unsere Sinnesorgane, Signalwege und Transportkanäle sind selbst aus unzähligen Atomen zusammengesetzt und darum viel zu plump, um durch den Aufprall oder Hauch eines Signales merklich beeindruckt zu werden. Diese Signale lösen jedoch biochemische Kaskaden in Zellen aus, welche zu einer Reaktion wie Bewegung, Stoffwechsel  oder Zellteilung  führen. Jede kleine Änderung des inneren oder äußeren Milieus gilt bereits als Stimulus, wenn diese irgendeine Reizantwort hervorruft. Das sind zweckmässige Verhaltensweisen, um in jeder Sekunde wieder eine gesunde Funktion zu schaffen. Weil so die Aussichten erhöht werden, den eigenen Fortbestand und den unserer Nachkommen zu sichern.
Aus dieser Einsicht findet alles, was Menschen sonst noch so in ihrer Einheit aus Nervenkostüm, Hormonorchester und Immunabwehr mit Selbstbewusstsein betreiben, seine Ausdrucksform im Bewegungssystem. Dort, wo der Zufall stark wirkt und empfindliche Gewebestörungen erscheinen, die von Sinnesleistungen in Gang gesetzt und durch autonome Nerven unterhalten werden. Man muss sich von sich so einiges von sich gefallen lassen.

 Schmerz ist dem Wissen nach eher ein Gefühl, als ein auf Ursache und Wirkung beruhender mechanistischer Vorgang. Dass wir fühlen, denken und empfinden ist nämlich das einzige von uns, was von überragendem Interesse ist. Schliesslich gehen wir zum Arzt, weil uns unerträglich zumute ist und nicht, weil uns ein materiell-energetischer Reiz auf die Nerven geht.
Dort kann man sich drehen und wenden wie man will: nur selten ist der unangenehm raumgreifende Schmerzreiz eindeutig auf eine bildtechnisch erkennbar defekte Struktur wie Bandscheibe, Stenose, Arthose oder Tumor zu reduzieren. Bei mehr als 80 % der Beschwerden am Muskelskelett finden sich einfach keine erkennbaren Auslöser. Obwohl wir mit dem heute jederzeit verfügbaren Arsenal medizinischer Geräte kaum noch jemanden finden, der völlig gesund ist.
Seriöse Studien zeigen, dass etwa die Hälfte der Bevölkerung signifikante Bandscheibenvorfälle und Verschleisserscheinungen an den Wirbelsegmenten zeigen, ohne Rückenschmerz oder andere Symptome zu haben. Schon bei den 30-Jährigen weist jeder Dritte auf Kernspin-Befunden Bandscheibenvorfälle auf, bei den 50-Jährigen sind es bereits 60 % und bei den 80-Jährigen nahezu 90 %. Was in jungen Jahren davon als krank gilt, hat später den Krankheitswert von grauen Haaren: ein funktionierender Umbau, der Altersschäden kompensiert. Die Gefahr, dass harmlose Befunde als ernsthafte Probleme interpretiert werden und zu unnötigen, risikoreichen und teuren Behandlungen führen, die keine nachhaltige Verbesserung der Beschwerden bewirken, ist evident. Es kann nicht gut für uns ausgehen, wenn versucht wird, den alten Zustand wieder herstellen zu wollen. Deshalb weist die Deutsche Gesellschaft für Wirbelsäulenchirurgie ausdrücklich darauf hin, dass 80 % der radiologischen Befunde nichts mit den Symptomen der Patienten zu tun haben. Offenbar hat die starke Tendenz, bildgebende Verfahren als diagnostische Grundlage zu nutzen, dazu geführt, dass diese leicht zugänglichen Bildbefunde als objektive und endgültige Beurteilung des Problems betrachtet werden.

Um den Nervenzellen bei der Arbeit zuzusehen, müssen Ströme und micrometergenaue Zellstrukturen und deren Funktionen gemessen werden. Die Messung von Nervenströmen erfolgt punktgenau und in Echtzeit mit feinen Elektroden direkt an den Nervenfasern. Neuropathische Schäden können im Verlauf der Nervenfasern damit eingegrenzt werden, die Gewebeschäden nicht.
Zur Suche oder Ausschluss von Schäden, Umbauten oder Neubildungen der Gewebe misst die übliche Kernspintomographie ( MRT ) die Zeit, mit der sich die Kern-Spins, die quantenmechanischen Eigendrehimpulse von Wasserstoff-Atomen, auf ein starkes Magnetfeld ausrichten und mit Radio-Impulsen verstärken lassen. Diese Zeit ist für verschiedene Gewebearten unterschiedlich und die Rechner können somit eine Struktur der Anatomie im Schnitt-Raster abbilden. Allerdings nicht seine Funktion, denn dazu braucht es eine Form von lebhafter Bewegung der Stoffe, nicht leblose Energie der Struktur.
Unter Laborbedingungen wird manchmal ein invasives Verfahren benutzt ( PET, Positronen-Emissions-Tomographie ) und wie bei dem Kontrastmittel einer Röntgenaufnahme mit zugeführten Radionukliden die radioaktive Strahlung gemessen. Dabei entstehen zwar sehr genaue Bilder, aber aufgrund der Strahlenbelastung und hohen Kosten ist die Anwendung sehr begrenzt.
Für die Forschung der Gehirnzellen, also dort wo die Empfindungen stattfinden und Schmerzreize in das Bewusstsein eintauchen, ist eine Variante des MRT nützlich. Mit dem funktionellen MRT wird in Echtzeit der Blutfluss in den bestimmten Hirnarealen gemessen und bildet damit die Hirnfunktionen ab. Wie im PET wird sichtbar, wie stark die Gehirnzellen mit Sauerstoff versorgt werden. Es misst jedoch nicht die neuronale Aktivität selbst, sondern bestimmt, welche Hirnareale bei Schmerzreizen besonders viel Sauerstoff verbrauchen. 
Obwohl beide MRT-Techniken im Detail vertvolle Hinweise liefern können, sind sie nicht in der Lage, die spezifischen Signalwege der Propriozeption, also der Stellung im Raum oder der Nozizeption, also der Schmerzentstehung  in peripheren Geweben und chronisch anfälligen Weiterleitung über das Rückenmark bis zur Schmerzverarbeitung  im Gehirn, direkt abzubilden.

Ohne Bewusstsein gibt es keinen Augenblick. Das Augenlicht  ist bereits bis zum Sternenstaub hin materiell-energetisch erklärt, der Augenblick  noch nicht. Zwar können wir mit den Augen sehen, aber nicht mit dem Gehirn denken. Das, was wir fühlen, denken und empfinden, passiert im Geist. Erst mit der Bildung des Menschen, seinem " Ich " mit seinem Mitwissen von Freuden, Leiden, Erinnerungen, Wünschen und Zielen, entstand das schwierige Problem, nämlich wie Bewusstsein aus Materie hervorgeht.
Die Physik legt vor und die Biologie verhält sich danach. Wenn beim Urknall durch Zufall oder Notwendigkeit nicht nur die Funktion sich selbst organisierender Wesen schon vorhanden war, sondern auch die Idee des menschlichen Bewusstseins als Möglichkeit schon drin, dann bleibt es im System der Wissenschaften, die Ebenen jeweils zu lokalisieren und dort die passenden Worte für die Dynamik der Form zu erfinden.
 

Wer Lebendiges beurteilen will, muss sich also am Lebendigen beteiligen. Für uns geht morgens die Sonne auf und abends wieder unter, obwohl wir genau wissen, dass sich die Erde um die Sonne dreht und nicht umgekehrt. Bezogen auf Rückenschmerz unterscheiden Fachleute zwischen der messbar defekten Struktur von Gelenken, Muskeln oder Nerven und einer gestörten Funktion, die eher mit nachlässiger Benutzung, einer Überdosis Alltagserleben oder flacher Immunabwehr verbunden ist.
Bisher kann niemand sinnfrei in andere Leute hineinsehen, sondern nur Symptome, Sätze und die Situation mit eigenen Sinnen deuten. Es gibt bekanntlich keinen Blick von nirgendwo und es ist nicht alles gleich, bloß weil uns etwas zeitgleich erscheint.
Oft sieht man die Zelle vor lauter Molekülen, die Organe vor lauter Zellen und den Menschen vor lauter Organen nicht. Falls wir wirklich alles über jedes einzelne Molekül in der Nervenzelle wüssten, können wir nicht einfach erklären, wie eine Nervenzelle funktioniert. Ob sie schwingen, rotieren oder oszillieren, am Tanz ihrer Moleküle kann niemand ablesen, in welcher Form die Zellen verbunden werden. Zellen flüstern untereinander in eier geheimen Sprache. Sie organisieren sich, wenn es sein muss, spontan ohne zentrale Steuerung. Das Funktionieren eines Organs ergibt sich aus dem Zusammenspiel seiner Zellen, nicht aus deren Einzelverhalten. Manche sind stark im Netzwerk verknüpft, oft nahe am Kipppunkt zwischen Ordnung und Chaos, andere nur lose verbunden. Diese Signalwege sind nicht prinzipiell unverständlich. Molekulare  Schalter, elektrische Signale, mechanische Kräfte und chemische Gradienten, die Anweisungen für Wundheilung, Entzündungen und Hemmungen erhalten, erteilen und weitergeben, sind bereits schrittweise entschlüsselt.
Die Vielfalt der energetischen Prozesse im Wechselspiel mit äusseren Reizen und Umweltbedingungen sind längst akzeptiert und als eine komplexe Funktion zu verstehen, welche den Organismus verfeinert mit seiner Umwelt anpasst. Das Ganze hat biologisches System: lebendige Organismen können nur dann effektiv als organisierte Systeme funktionieren, wenn sie ständig Informationen  über ihre Außenwelt und ihre inneren Zustände sammeln. Auf jeder Ebene nehmen wir Informationen  aus der Umwelt  auf und geben sie bewertet zum Handeln wieder ab. Mit Umwelt  ist nicht das Zeugs gemeint, das draußen in Massen tot herumliegt. Sondern der sensible Wahrnehmungsbereich zwischen unserer Horde da draussen und dem empfindlichen Gewebe hier drinnen. Wenn uns in diesem Raum der Sinnesreize etwas wandelt, brauchen wir Fühler, mit denen wir die Veränderungen entdecken und Mechanismen, die darauf reagieren können. Der Begriff der Information dient als semantische Brücke für das, was uns sowohl von Organen, Geweben, Zellen und deren Moleküle, als auch durch menschliche Erfahrungen, Bedeutungen und kulturelle Eigenarten der Leute in Reichweite um uns herum widerfährt. Und uns als biologischer Ursprung menschlicher Kultur nicht nur selbst betrifft, sondern auch spürbar betroffen macht. Der wesentliche Unterschied zur Maschine ist also die Bedeutung von Information. Vor diesem Begriff ist die Physik auf der Flucht.

 

Das tiefe Verständnis der Entstehung von schmerzbedingten Schutzreaktionen ( noziceptive Dysfunktion ), der feingeweblichen Entzündung ( nocigene Inflammation ) und der zentralnervösen Schmerzverarbeitung ( noziplastische Sensitivierung ) hat Diagnose und Therapie von muskuloskelettalen Beschwerden enorm verändert. Auch die Vielfalt der energetischen Prozesse im Wechselspiel mit äusseren Reizen und Umweltbedingungen sind akzeptiert und als eine komplexe Funktion zu verstehen, welche den Organismus mit seiner Umwelt, mehr oder weniger bewusst, verfeinert anpasst.
Aus dieser Einsicht findet alles, was Menschen sonst noch so in ihrer Einheit aus Nervenkostüm, Hormonorchester und Immunabwehr mit Selbstbewusstsein betreiben, seine Ausdrucksform im Muskelskelett. Dort, wo das Umfeld stark wirkt und entzündliche Gewebestörungen erscheinen, die von Schutzmechanismen in Gang gesetzt und durch autonome Nerven unterhalten werden. Man muss sich von sich so einiges von sich gefallen lassen.

Aber auch von anderen. Seit je ist es Brauchtum der Funktionäre, Leitlinien zu erfinden. Funktionsstörungen als diagnostisch krankhaft und symptomatisch klar abgrenzbare Einheit ( Entität ) zu erklären, ist nicht einfach. Aber funktionell sind Störungen immer dann, wenn sie räumlich nicht  Ausdruck einer Schädigung von Gelenken, Segmenten, Organen, Muskeln oder Nerven, aber zeitlich irgendwo auf dem Weg dahin sind.
Der Begriff „ myofasciale Dysfunktion „ wurde von den Fachgesellschaften, welche sich mit den Beschwerden am Muskelskelett befassen ( Neurologen, Chirurgen, Orthopäden, Rheumatologen, Psychologen ), nun in den Leitlinien zur Behandlung spezifischer  sowie unspezifischer  Beschwerden an der Wirbelsäule eingeführt (www.register.awmf.org ), nachdem dort schon strukturelle Defekte, wie neurologische Nervenschäden, degenerative Gelenkschäden, verengende Wirbelsegment-Schäden, rheumatische Immunschäden und angeborene Fehlstellungen mit den jeweiligen Therapieoptionen rezeptiert wurden.
Und nachdem die amerikanische osteopathische Medizin die schmerzhaften Funktionsstörungen am Muskelskelett  bereits traditionell als „somatic dysfunktion“ bezeichnet hatten, wenn kein Schaden erkennbar, aber das Gewebe fühlbar empfindlich, asymmetrisch verzogen, restrikt und entzündlich verändert erschien. 
Und es auch hierzulande langsam dämmerte, dass die bindegewebigen Hüllen der Muskeln und Organe kein träges Gewebe, sondern das körpereigene Fasziennetz  wahrscheinlich unser reichhaltigstes Sinnesorgan mit mehreren hundert Millionen feinster Nervenenden ist.
Und spürbar mit dem vegetativen Nervensystem  und dessen Regulation von Muskelspannung und Blutstrom sowie mit dem Immunsystem und der Dosierung von Entzündungsreaktionen, im unentwegten Austausch von Informationen  über den Zustand des Milieus steht.
Und weil die Idee, dass nicht nur das Gehirn, sondern auch der gesamte Organismus sich bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit umformen, im Einklang steht mit dem Konzept von Homöostase, Plastizität  und Resilienz. Womit unser Vermögen, das innere Gleichgewicht trotz wechselnder äusserer Bedingungen aufrecht zu erhalten sowie die Fähigkeit, aus Erfahrung zu lernen und Muster zu speichern, gemeint ist.
Lautlos, zudem mit beiden Armen des vegetativen Nervensystems gut vernetzt, versucht der gesamte Organismus ständig, Störungen im Fliessgleichgewicht seiner Funktionen durch gegenläufige Reaktionen und Zusammenspiel vieler Faktoren, bestmöglich auszugleichen ( Homöostase ). Auch nervöse Netzwerke, die schädliche Reize verschalten, lernen schnell und speichern Muster, um stets bereit für ähnliche Situationen in einem veränderten Umfeld zu sein ( Plastizität ). Dass Verletzungen, Krankheiten und andere empfindlichen Störungen abprallen oder sich erholen können, weil Körpersysteme darauf ausgelegt sind, sich selbsttätig zu regulieren und in einen stabilen Zustand zurückzukehren, nennt man Resilienz.
Im Zuge der Forschung, was uns gesund und wiederstandsfähiger macht, was uns von Blessuren und anderen Gemeinheiten wieder erholen lässt, gehört die innere Überzeugung, dass die Welt nicht chaotisch ist. Wir können das, wir schaffen das und stehen einmal mehr auf, als wir hinfallen. Das Leben mit seinen alltäglichen Ereignissen und instinktiven Trieben ist durchaus zu begreifen, Wir habem tief sitzende Fähigkeiten, um mit den Schwierigkeiten daraus umzugehen und es macht Sinn, sich immer wieder anzustrengen und das Heft des Handelns in die Hand zu nehmen. Daraus entsteht ein Gefühl, dass uns hilft, Krisen besser zu bewältigen und aufkommender Stress wird an uns abprallen. Dieses Kohärenzgefühl  ist weniger eine kurzfristiger emotionaler Ausbruch von starken Gefühlen wie Freude, Angst, Wut oder Panik, sondern ein überdauerndes Grundgefühl, das mit unserer Sicht auf die Welt, uns selbst unserem Muskelskelett zur Fortbewegung zusammenhängt. Es ist eng mit Gefühlen wie Vertrauen, Zuversicht und innerer Sicherheit verwandt, wirkt aber langfristiger und ergibt sich aus Erfahrungen, die wir unterwegs gemacht haben.

Nichts ist praktischer als eine gute Theorie. Die Orientierung von Gefühlen zur Medizin ist eine philosophische Aufgabe. Die medizinische Sichtweise beruft sich vor allem auf objektive Tatsachen und interessiert sich meistens nur für die physiologischen Grundlagen von Krankheitsbildern. Der angehende Arzt soll gefälligst sein Physikum  bestehen, bei seinen Organen bleiben und sich nicht in Gedanken verlieren. Gefühle, dass etwas passt oder stimmig ist,  sind nach bisher herrschender Auffassung nicht der Fall, weil sie sich nicht in Sprache ausdrücken lassen, damit unsagbar sind und sich nicht vernünftig in ganze Sätze auflisten lassen. Unsere grundlegenden Formen der Anschauung, in denen wir alles wahrnehmen, ist nach wie vor der Raum  und die Zeit. Wir denken, wir könnten die Sachverhalte, die Dinge in unserer Welt nicht so erkennen, wie sie an sich  sind. Sondern nur so, wie sie uns durch unsere eigenen Erkenntnisstrukturen erscheinen. Dazu müssen wir uns unseres Verstandes bedienen. Das bedeutet, die Welt, wie wir sie erleben, wird maßgeblich durch unsere verstandesmäßige, vernünftige  Ordnung geprägt. Gefühle haben da wenig Raum und keine Zeit. Verloren geht dadurch die Aufmerksamkeit für das Erleben, nämlich für all das, was uns nicht nur am eigenen Leibe betrifft, sondern betroffen macht und damit tatsächlich der medizinische Fall ist.
Biologie keine zweite Physik, denn Physik ist pünktlich, Biologie braucht ihre Zeit. Gene sind nicht, Gene werden. Die Welt an sich ist kein geschlossenes , verständlich geordnetes System, sondern ein nicht abschliessendes Gedeihen und Kombinieren von neuen Ereignissen und neue Erfahrungen, die wieder Sinn machen und sich für uns selbst als stimmig und bedeutsam anfühlen.
Moderne Ansätze berücksichtigen den Bobachter und das Feld, in dem ihm des Ereignis sinnvoll erscheint und gar nicht bemerkt wie das Beobachtete sich damit verändert. Dabei exisiert der Körper mit seinem entgleisten Muskelskelett tatsächlich, denn er ist ja da, verzogen wie er gerade ist. Der Barfußarzt beobachtet da drinnen den schrägen Tanz der humpelnden Bewegungen, der Unternehmer die passenden Therapieformen für seinen mulimodalen Ansatz und der Biochemiker ist auf Gedeih und Verderb der Moleküle aus. Jeder beobachtet in seinem Sinnfeld und nur wir müssen die Kontrolle zurückbekommen, uns selbst organisieren, damit alles wieder stimmig passt. Alle anderen Beobachter können nur Situationen schaffen, in denen die Dinge, die Vorgänge und Beweggründe, wie von selbst ablaufen.
 

Schmerz ist nicht gleich Schmerz und Gewebe nicht gleich Gewebe. Man muss schon genau sagen, was man meint, wenn es dumpf pocht oder hell sticht, zieht, drückt oder schwelt. Wenn es sich ödematös geschwollen oder rigide verzogen anfühlt. In täglicher Praxis sagen die Schichtaufnahmen mehr als tausend Worte, aber das was auf dem Monitor erscheint, ist nicht der Kranke, nur seine gepixelte Leiche.
Natürlich hat das Auftreten von Schmerz hat fast immer etwas mit diversen Vorgängen  im Gewebe zu tun: Druck und Zug, Entzündungen, langsamer Heilprozess, Hitze und Kälte, Verhärtungen der bindegewebigen Hüllen, Sehnen, Bänder und Gelenkkapseln durch Krankheit oder Nichtgebrauch. Zwar ist die Anatomie, die Reduktion, das Zerschneiden der Körper in seine Stücke, die bisher erfolgreichste Methode, um den Vorgang hinter dem Vorgang  bis auf das Feinste hin auf Größe, Gestalt, Zahl, Ruhe, Bewegung, Lage und Anordnung abzuschleifen und den materiell-energetischen Substanzen anzuhängen. Allerdings ist mit diesem sinnfreien Kunststück weder das weite Feld sinnvoll erklärt, worin und wozu sich seine Zellen unentwegt wie von selbst erhalten, reparieren, regulieren und vervielfältigen. Noch wird der Mensch in seiner lebhaften Geschichte verstanden, der sich mal so oder so erinnert, empfindet und verhält und den nichts mehr beeindruckt, als das, mit dem er es gerade zu tun hat.
Wir sind fähig, jeden Reiz, den wir wahrnehmen, zur höchsteigenen Bedeutung zu bewegen und in einen leidvollen Zustand einzubetten. Vorsichtshalber wird Bedrohung vermutet und die Abwesenheit von erwarteten Reizen als Anwesenheit von Mangel interpretiert und mit Abwehrmechanismen beantwortet. Man nennt das Psychologie. Dass damit auch Beweggründe  erscheinen, die als ästhetische Tatsachen  gelten und für eine massgeschneiderte Beurteilung wesentlich sind, wird traditionell gedanklich ausgegrenzt und in private Innenwelten verlegt. Damit wurde ausgeblendet, dass das objektiv Wahrgenommene immer das subjektiv Erfasste ist. Nur man selbst kann wissen, wie es ist, gesund zu sein oder Schäden oder Funktionsstörungen zu haben. Das macht den Schmerz so persönlich: was für den einen bereits unerträglich eng ist, beeindruckt den anderen weit entfernt davon nicht nennenswert. Auch vor diesem Dialog ist die Physik auf der Flucht.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der Entstehung des gemeinen Rückenschmerzes  entspricht dem Grunde nach dieser biologischen Erklärung über Sinnesleistungen. Das bohrende, stechende, ziehende oder dumpfe Leiden wird als nervöses Geschehen empfunden, bei dem das Gehirn die Reize aus dem Körper interpretiert. Das Ergebnis wird als eine zutiefst negative Erfahrung wahrgenommen, die je nach sozialem, kulturellem, existenziellem, spirituellem, kognitiven und affektiven Einfluss für manche noch als erträglich gilt, für andere bereits als unerträgliche Katastrophe ausgelegt ist. Ob Mann oder Frau spielt im Muskelskelett ebenfalls eine bedeutsame Rolle.
Die besondere Sinneserfahrung " Hexenschuss !" entsteht aus einer tatsächlichen oder vermeintlichen Schädigung von Körpergeweben, die zwar nicht von Rezeptoren, sondern von feinen Enden  schnell und langsam leitender Nervenfasern, den sog. Nozizeptoren  aufgenommen werden. Diese Schmerzfühler sind in nahezu allen Gewebeschichten auf mechanische, chemische oder thermale Reize spezialisiert, transduzieren, transformieren bis hin zu den Segmenten des Rückenmark, auf dessen Ebene die Impulse mit den eingehenden Signalen aus anderen Geweben verschaltet und aufsteigend weitergeleitet werden. Auf allen Schaltebenen wird pausenlos verstärkt und gebremst und schon dort können reflexartige Schutzreaktionen bis zur myofaszielen Dysfunktion ausgelöst werden, um das Segment, Gelenk oder Organ vorsorglich für die Dauer des Heilungsablaufs aus der Gefahrenzone zu holen.
Das natürliche Schmerzsystem hat die biologische Funktion, zum Überleben seiner Spezies beizutragen und ist insoweit spezifisch. Die spezifische Funktion besteht darin, durch das subjektive Erlebnis " Schmerz ", einen körperlichen Schaden zu vermeiden. Das phänomenale Bewusstsein von nozizeptiver Signalaktivität, also wie es ist stechenden Schmerz im Rücken, Bein oder Kopf zu haben, erlaubt uns vernünftigen Lebewesen, aus dem einfachen Reiz-Reaktionsschema auszubrechen, das eigene Verhalten auf der Grundlage sensorischer Information zu ändern und den Umständen entsprechend anzupassen. Denn chronischer Stress kann auch Entzündung auslösen und damit die Steifigkeit ( Fibrose ) der Faszien erhöhen

Die wissenschaftliche Methode, gedanklich jegliches Gefühl und jeden Gedanken, egal ob hier und jetzt gegenwärtig oder nicht, von körperlich ausgedehnter Masse zu trennen, war für den medizinischen Fortschritt höchst erfolgreich. Keine Prothese, keine Impfung, keine Krebsbehandlung und kein intelligent hergestelltes Medikament ohne diese duale Historie. Man konnte handeln und modern sein, indem die Technik verfeinert wird, ohne die mechanische Erklärung der Lebensvorgänge aufgeben zu müssen. Der Hinweis, ob womöglich die geschlossene Struktur einer Maschine mit einer starren Ordnung verwechselt wurde, die offen auf Reize reagiert, welche dem Beobachter verborgen sind, wurde lange übergangen. Die Zerlegung des Menschen in seine Einzelteile und das Verstehen des Vorgangs hinter dem Vorgang, kann inzwischen auch komplexe Netzwerke, kollektives Verhalten, chaotische Konnektionen, kritische Kipppunkte und coole Krisen auf höheren Ebenen systematisch und informatisch erklären. Auch die Zuweisung von Bedeutung, zum Beispiel eine drohende Gefahr durch Gewebeschaden, ist neben dem Lernen und der Mustererkennung ein wichtiger Akt verknüpfender Intelligenz, da sie die Fähigkeit umfasst, körperliche Informationen zu verstehen, zu interpretieren und ihnen einen Wert zu geben. Eigentlich ist das Leben simpel. Um den Bescherden einen Sinn zu geben, kommt es auf die Wirklichkeit an und das ist das, was wir gerade fühlen und denken. Das, was wir glauben ist das, was zählt. Alles spielt sich in unserer Gedankenwelt ab, gleichgültig ob es in den Knöpfen der Geräte oder in den Köpfen der Leute passiert.